Das Armband

Sie war perfekt. Sie war wunderschön, hatte einen großartigen Sinn für Humor und war das schlauste Mädchen, dass ihm je begegnet war, jedoch wusste sie nicht einmal, dass er existierte. Dieser Gedanke plagte ihn jeden Tag, wenn er im Unterricht seine Augen auf sie richtete. Als sie an jenem Tag in die Pause ging, verlor sie ihr Armband. Er hob es vom Boden auf, doch ehe er es ihr wiedergeben konnte, war sie weg. Auch wenn er die ganze Pause lang überall nach ihr suchte, konnte er sie nirgendwo finden, also nahm er das Armband mit nach Hause. Am nächsten Tag betrat er, wie an jedem Tag, den Klassenraum, als sein Schwarm mit wütendem Gesichtsausdruck meckerte: „Jetzt hört alle mal her! Gebt es zurück! Wer auch immer es hat, soll es bitte sofort rausrücken! Was schaut ihr den alle so blöd?“ Alle schauten das Mädchen verwirrt an und tuschelten leise, während sie schluchzend die Wand hinunter rutschte. Mit weinerlicher Stimme protestierte sie: „Bitte….bitte, gebt mir einfach mein Armband wieder!“ Er griff in seine Hosentasche, doch der Schock war ziemlich groß, als es nicht da war. Hektisch durchsuchte er jede seiner Taschen und dabei fiel es dem Mädchen direkt vor die Füße.  Ihr Gesicht wurde so rot, dass es unmöglich zu beschreiben war. Die aufgebrachte Miene schrie, genauso wie das Mädchen selbst: „Du…du.. du hast mein Armband gestohlen!“ Sie zog es an sich und umklammerte es, während sie dem Jungen einen enttäuschten und Vorwurfsvollen Blick zu warf. Die ganze Klasse starrte den Jungen an, währenddessen er ganz leise stotterte: „Was? Nein…nein das…das stimmt nicht!“ „Doch, natürlich stimmt das! Hör auf zu lügen!“ Der Junge antwortete nicht mehr. Er guckte nur noch traurig auf den Boden.

Auf einmal begann sich eine Stimme zu melden. Sie kam aus einem Kapuzenpulli in der letzten Reihe. Erst ertönte ein leises finsteres Lachen und dann wurde es ganz still in der Klasse. Der Kapuzenpulli wurde mehr als angestarrt und bei seinen darauffolgenden Worten lief der ganzen Klasse ein Schauer den Rücken hinunter. Seine Worte lauteten in einem sarkastischem Tonfall: „Och, wie süß. Dauernd schikaniert sie andere, doch kaum wird ihr ein lächerliches Armband weggenommen, ist sie so zitterig, wie ein Junkie auf Entzug. Und das alles nur, weil Mama…“ Als dem Mädchen die erste Träne hinunter floss, unterbrach sie den Kapuzenpulli: „Fang jetzt bloß nicht von Mama an! Es ist nicht ihre Schuld!“ „Stimmt es ist deine!“, schrie die Kapuze zurück: „Sie musste dich immer bevorzugen , weil du sonst zusammengeklappt wärst, wie ein billiger Klappstuhl!“ Bevor die Stimme ihr letztes Wort zu Ende brachte, bekam sie eine Ohrfeige.

Die ganze Klasse war schockiert und schnappte lautstark nach Luft. Jedoch bekam sie diese nicht von dem nahezu perfektem Mädchen, sondern von ihm. Sein Blick war etwas verwirrt, doch es dauerte nicht lange bis er sich wieder fing und ein ernstes Gesicht aufzog. „Schrei sie nochmal so an und es bleibt nicht nur bei der Ohrfeige!“ Die Kapuze verdeckte weiterhin sein Gesicht. Nur ein breites Lächeln war zu sehen. „Ach, hast du Superkräfte? Schuldest du ihr Geld? Oder bist du wirklich so naiv?“ „ Ich bin nicht naiv. Ich respektiere nur, was ich liebe.“ Er konnte nicht glauben was er da gerade gesagt hatte. Er hatte sich gerade vor der ganzen Klasse geoutet. In der ganzen Klasse brach Stille aus. Alle warteten gespannt auf die Reaktion, des Mädchens. Nach ein paar Minuten, der Stille beschloss die Kapuze etwas nachzuhelfen.  „Ach mein Gott, jetzt sag doch was. Stundenlang muss ich es mir Tag für Tag anhören OMG Justin ist so toll und jetzt hältst du deine Klappe als würde jemand eine M16 auf dich richten. Na los; geh zu ihm!“ Ohne zu zögern rennt sie dem jungen, der immer noch nicht glauben kann, dass das kein Traum ist, direkt in die Arme. Sie küssten sich. Die Klasse schrie vor Begeisterung auf. Ein Mädchen viel in Ohnmacht; „Na Endlich!“ schrie die Kapuze lächelnd und immer lauter werdende Lackschuhe ertönten. Sie näherten sich dem Klassenzimmer. Ein älterer Mann mit einer Glatze betrat den Raum, ging einfach an dem schnäbelndem Pärchen vorbei und stellte ein Karton mit Arbeitsblättern auf das Lehrerpult. „Guten Morgen, ich entschuldige mich für die Verspätung. Bitte schlagt euer Deutschbuch auf Seite 156 auf.“

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