Die Strahlen des Notausgangs

Angst. Hunger. Durst. Drei Gefühle, die sie seit Stunden plagen. In jedem Moment in dem sie dort weiterhin festsaß, vertiefte sich nur ihre Angst. Die Angst vor dem, was dort draußen lauerte. In jeder Sekunde in der sie weiterhin diesen grünen Stift anstarren musste, zerbrach ein weiterer kleiner Teil ihrer Seele. Es war immer noch kalt. Unbeschreiblich kalt. Sie zitterte am ganzen Körper. Plötzlich kam eine Art von Rauch aus der Wand. Man konnte ein sehr lautes Türschloss hören. Die Tür öffnete sich. Sie quietschte sehr stark und übertönte fast das recht laute Kichern des Mannes, der nur schwer durch den Nebel zu erkennen war. Er schrie förmlich mit einem gruseligem Unterton die Worte: „Guten Morgen mein Schatz.“ Sie dachte, dass sie sich das vielleicht nur einbilden würde. Sie rieb sich über die Augen und war recht geschockt, doch gleichzeitig auch überaus erleichtert, als er nicht mehr da stand. Sie richtete ihren Blick zur Tür. Ihr Atem stockte, als sie sah, dass sie offen stand. Völlig kraftlos kroch sie in die Ecke des Raumes. Ihr Blick schweifte panisch nach links und dann schnell wieder nach rechts; und dort stand er. Ihre Hoffnung, dass der Mann wieder verschwinden würde, ähnelte mit jedem Schritt, den der Mann auf sie zuging, weniger einem Wunsch, als einer Sehnsucht. Doch egal, wie sehr sie sich danach sehnte, er verschwand nicht.

Nun stand er genau vor ihr. Er war durch den Nebel zwar nur schwer zu erkennen, doch sein gruseliges Grinsen war trotzdem nicht zu übersehen. Alles fühlte sich schwummrig an. Sie spürte, wie er sie am Handgelenk packte und sie kurz darauf durch einen dunklen Flur schliff. Er war noch kälter, als der Raum, den sie zuvor hütete. Sie konnte drei gedämpfte Stimmen wahrnehmen. Eine von ihnen war weiblich und schrie. Als ihr Blick nach links schweifte, bemerkte sie ein grünleuchtendes Schild, dass auf einen Notausgang hinwies. Sie behielt das Schild für einige Sekunden im Auge, doch in einer Rechtskurve lag ein Stein auf dem schwarzgefliestem Untergrund und sie stieß sich den Kopf. Sie verlor das Schild aus den Augen. Sie hielt sich den Kopf mit der rechten Hand und realisierte erst, als die Stahltür zufiel, dass sie sich wieder in einem dunklem Raum befand, jedoch befand sich in diesem ein Picknickkorb und eine Thermoskanne. Als sie einen Blick in den Korb hineinwarf, sah sie ein Sandwich und erneut einen grünen Stift.

Sie rührte diese Dinge nicht weiter an und setzte sich erschöpft in eine Ecke des Zimmers. Nur konnte sie nicht lange die Stille genießen, da wieder der Rauch aus den Seiten des Raumes strömte. Nach wenigen Minuten lag sie bewusstlos auf dem Boden und der Mann wollte sie gerade wieder am Handgelenk packen, als sie ihre Augen schlagartig öffnete. Sie griff ihn an seinem Handgelenk. Er erschrak und wich einen Schritt zurück, doch sie ließ ihn nicht los. Mühsam zog sie sich hoch. Als sie auf ihren Beinen stand, ließ sie sein Handgelenk los und schaute zur Tür. Sie stand sperrangelweit offen. Der Mann bemerkte dies und versuchte sie festzuhalten. Sie duckte sich und robbte sich durch seine Beine. Er hielt sie an ihren Beinen fest und schliff sie zurück in den Raum. Nichts war wirklich zu erkennen. Sie versuchte nach etwas zu greifen und es gelang ihr den Picknickkorb an sich zu ziehen. Intuitiv griff sie nach dem Sandwich und warf es nach ihm. Ihr gelang es, zu entwischen. Sie entfloh durch die Stahltür und schloss sie schnell hinter sich. Man konnte noch ein Klopfen von ihm wahrnehmen, doch sie ignorierte dies, drehte sich nach links und lief, so schnell sie konnte, zu dem grünleuchtendem Schild, dass sie erst aus den Augen verlor, als sie durch die Tür in ihre Freiheit floh. Das Gefühl der Kälte wird ihr sofort entrissen, als ihr die Sonnenstrahlen ins Gesicht fallen. Nach einigen Metern stoppte sie und schnappte nach so viel Luft, wie es nur irgendwie möglich war. Diese Pause hielt nicht lange an. Sie rannte weiter. Sie fiel. Sie stand wieder auf und konnte nicht weit von ihr ein paar Stimmen hören. „Wo ist dieses Miststück?“ „Sie ist hier.“ Ohne auch nur eine Sekunde weiter nachzudenken, warf sie einen Stein und rannte in die entgegengesetzte Richtung. 20 Minuten lief sie ohne Pause. Voller Angst blieb sie, als sie die ersten Häuser sah, stehen. Sie stützte sich auf ihren Beinen ab und ein Stift fiel ihr aus der Tasche.

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